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Vorabentscheidungsersuchen des obersten Verwaltungsgerichts Litauens vom 13. Februar 2020 zur zollwertrechtlichen Behandlung von Beförderungskosten (C- 75/20 – Lifosa AB - )

28.4.2020

Mit Vorlageentscheidung vom 29. Januar 2020 hat das Oberste Verwaltungsgericht Litauens dem EuGH am 13. Februar 2020 eine interessante Frage zur Auslegung der Zollwertvorschriften des ZK und des UZK vorgelegt (Abl. EU C 137/38 v. 27.04.2020). Die Frage betrifft die zollwertrechtliche Behandlung von Beförderungskosten, wenn diese über den Preis der Ware hinausgehen, der Verkäufer sie aber laut Lieferbedingung zu tragen hat. Für die Praxis dürfte diese Frage insbesondere bei der Bewertung von eingeführtem Schrott bzw. eingeführten Abfällen sowie bei Änderung der Lieferbedingung und/oder Beförderungsart (z.B. bei Lieferverzug) eine Rolle spielen.

Zum Sachverhalt: Die litauische Klägerin A erwarb von einem ebenfalls in Litauen ansässigen Unternehmen T unverzollt technische Schwefelsäure mit der Lieferbedingung DAF. Die Schwefelsäure hatte B zuvor vom weißrussischen Unternehmen N erworben, der sie nach DAF-Bedingungen (Belarus-Litauen) vom Werk auf weißrussischem Gebiet zum Grenzübergang Gudogai lieferte.

A meldet den an T entrichteten Rechnungspreis als Zollwert an. Nachdem die litauische Zollbehörde im Rahmen einer späteren Zollprüfung feststellte, dass der von der Klägerin angegebene Zollwert der fraglichen Waren niedriger war als die Kosten der Beförderung der Waren mit der Eisenbahn vom Werk in Weißrussland zum Grenzübergang nach Litauen, erhöhte sie den angemeldeten Zollwert um die Beförderungskosten und erhob entsprechend Einfuhrabgaben nach. Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin macht geltend, dass die fraglichen Beförderungskosten vom Hersteller gem. den Vertragsbedingungen bezahlt worden und dass sie im von T für die Waren gezahlten Preis inbegriffen seien. Des Weiteren trägt sie vor, dass der Preis der fraglichen Waren durch objektive Faktoren bestimmt worden sei. Zum einen handelt es sich bei technischer Schwefelsäure um ein Nebenerzeugnis des vom Hersteller verwendeten Herstellungsprozesses, welches der Hersteller nicht verarbeiten oder lagern könne. Zum anderen wäre die Rückgewinnung für diese Erzeugnisse mit sehr hohen Kosten verbunden. Daher sei der Preis der Waren, obgleich er nicht die gesamten dem Hersteller entstandenen Kosten für deren Beförderung decke, angemessen und für den Hersteller wirtschaftlich vorteilhaft, insbesondere auch deshalb, weil der in Weißrussland anfallende Ökosteuerbetrag, der bei den fraglichen Waren für die Rückgewinnung zu zahlen wäre, die Summe des angegebenen Zollwertes und der Beförderungs-kosten überstiege.

Das oberste Verwaltungsgericht Litauens stellt zunächst fest, dass der vereinbarte Preis die Beförderungskosten nicht enthält. Die Beförderungskosten wurden vom Hersteller getragen und sowohl A als auch T waren vertraglich nicht dazu verpflichtet, etwas zu diesen Kosten beizusteuern. Des Weiteren sei auch klar, dass der für die fraglichen Waren tatsächlich von A und/oder T an den Hersteller gezahlte Preis nicht wegen betrügerischer oder rechtsmissbräuchlicher Festsetzung fiktiv gewesen sei.

Dann führt es aus, dass die Zollwertvorschriften (Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i UZK und Art. 138 Abs. 3 UZK-DVO) darauf hinweisen, dass alle tatsächlich entstandenen Beförderungskosten, unabhängig davon, wem sie entstanden sind und was diese Kosten verursachte, dem Transaktionswert hinzugerechnet werden müssen, falls sie ganz oder teilweise nicht im tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis enthalten gewesen sind.

Auf der anderen Seite könnte die Tatsache, dass die Beförderungskosten höher als der tatsächlich dem Hersteller für die fraglichen Waren gezahlte Preis waren, im vorliegenden Fall aufgrund der konkreten Umstände des Verkaufs der fraglichen Waren in das Zollgebiet der Union jedoch auch gerechtfertigt sein.
Daher beschloss das oberste Verwaltungsgericht Litauens, dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen (Anm.: auf UZK-Vorschriften reduziert):
„Sind Art. 70 Abs. 1 und Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i UZK dahin auszulegen, dass der Transaktions(zoll)wert so zu berichtigen ist, dass er alle tatsächlich dem Verkäufer (Hersteller) entstandenen Kosten zur Beförderung der Waren zu dem Ort, an dem sie in das Zollgebiet der Europäischen Union eingeführt wurden, umfasst, wenn – wie im vorliegenden Fall erstens gemäß den Lieferbedingungen (Incoterms 2000 – DAF) die Verpflichtung zur Deckung dieser Kosten den Verkäufer (Hersteller) traf, zweitens diese Beförderungskosten über den vereinbarten und vom Käufer (Einführer) tatsächlich gezahlten (zu zahlenden) Preis hinausgingen, drittens aber der vom Käufer (Einführer) tatsächlich gezahlte (zu zahlende) Preis dem tatsächlichen Wert der Waren entsprach, selbst wenn dieser Preis nicht ausreichte, um die dem Verkäufer (Hersteller) entstandenen Beförderungskosten vollständig zu decken?“

SV


Verlag C.F. Müller

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